Heidelberg Pharma AG/Wilex AG

Wilex-Antikörper bringt Millionen nach Heidelberg

Die Heidelberg Pharma AG erhält durch den Verkauf von möglichen Lizenzeinnahmen eine Zahlung von 115 Mio. US-Dollar, doch die Geschichte ist damit erfreulicher- und möglicherweise noch nicht zu Ende erzählt. Außerdem hat sie einen typisch deutschen Anfang: es war einmal vor langer, langer Zeit ...

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Mit dem Verkauf der weltweiten Lizenzeinnahmen aus der möglichen Zulassung des Antikörpers Girentuximab als radiopharmazeutisches Diagnostikum erhält die Heidelberg Pharma AG, Ladenburg, rund 115 Mio. US-Dollar vom Käufer HealthCare Royalty (HCRx). Das US-amerikanische Unternehmen ist darauf spezialisiert, vermarktete Produkte zu erwerben oder sich Produkte und deren mögliche Vermarktungserlöse kurz vor der Zulassung zu sichern. Ähnlich verfuhr die Martinsrieder Morphosys, als sie solche auf die Zukunft hochgerechneten Verkaufserlöse an Royalty Pharma verkaufte, um mit dem Geld die US-Firma Constellations Pharma zu erwerben, was von unterschiedlichen Beobachtern als unterschiedlich erfolgreich eingestuft wird.

Der aktuelle Deal für Heidelberg Pharma ist in jedem Falle ähnlich und doch auch anders gelagert. Er hat eine lange Vorgeschichte und interessante Facetten und seine Wurzeln im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität (TUM) München. Ursprünglich wurde der Antikörper Girentuximab unter dem damaligen Namen Rencarex von der Ausgründung der TUM – Wilex AG – als Therapeutikum gegen Nierenkrebs entwickelt. Bis 2008 wurden über 800 Patienten in eine klinische Studie der Phase III eingeschlossen und anschließend mit dem Wirkstoff behandelt. Die adjuvante Studie dauerte vom Start mit dem ersten Patienten bis zur Auswertung rund sieben Jahre und brachte 2012 die große Ernüchterung: Der Antikörper hatte keine Verbesserung gegenüber Placebo/Standardtherapie gebracht.

Zweites Leben als Diagnostikum

Parallel dazu hatte Wilex den Antikörper mit einer radioaktiven Substanz markiert und in eine Phase III-Zulassungsstudie als Diagnostikum für klarzelligen Nierenkrebs gebracht. Im Jahr 2010 konnte gezeigt werden, dass dieser nun Redectane genannte Antikörper-Radioligand im PET/CT eindeutig zwischen bösartigen und gutartigen Nierentumoren unterscheiden kann. Eine wesentliche Erleichterung für Ärzte, die bisher im CT diffuse Massen sahen. In einem Oncologic Drugs Advisory Committee der FDA erhielt Wilex daraufhin ebenfalls ein klares Votum für dieses bildgebende Verfahren. Zu einer Zulassung kam es jedoch nicht, da die Behörde eine weitere konfirmatorische Phase III-Studie verlangte. Diese konnte Wilex jedoch aufgrund fehlender Finanzierung und der strategischen Neuausrichtung auf die ADC-Plattformtechnologie von Heidelberg Pharma nicht mehr durchführen. Die bis dahin bestehende Partnerschaft mit IBA aus Belgien wurde beendet, die Bemühungen um eine weitere Verwertung des Antikörpers jedoch nicht aufgegeben.

2017 interessierte sich das neu gegründete australische Unternehmen Telix Pharmaceuticals Inc. für den Antikörper als Diagnostikum und Therapeutikum und machte ihn zu einem wichtigen Bestandteil seiner IPO- und Finanzierungsstory.
Telix führte eine weitere Phase III-Studie durch, die im November 2022 erfolgreich abgeschlossen wurde. Im Dezember des vergangenen Jahres schließlich wurde der Zulassungsantrag bei der FDA eingereicht, die Grundlage für den jetzigen Verkauf von nach einer Zulassung möglichen Vermarktungserlösen.

Aus dem Lizenzvertrag mit Telix stehen der Wilex-Nachfolgerin Heidelberg Pharma AG Lizenzzahlungen aus den weltweiten Umsätzen des diagnostischen Antikörpers zu. Diese wurden nun zur Finanzierung der vielversprechenden  eigenen ADC-Kandidaten weiterveräußert. Mit dem Verkauf ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende: Nachdem HCRx ein gewisses Volumen an Lizenzzahlungen erhalten haben wird, wird im weiteren Verlauf der Vermarktung der dann größere Anteil der weiteren Erlöse an Heidelberg Pharma fließen und HCRx nur noch einen niedrigen einstelligen Prozentsatz an Lizenzzahlungen erhalten.

Damit könnte sich Redectane langfristig als eine Art Cashcow von Wilex erweisen, die Heidelberg Pharma weiter melken könnte – einige Konjunktive sind hier noch im Spiel. Telix seinerseits hofft sehr auf eine positive Entscheidung der FDA über den Zulassungsantrag des Diagnostikums. Die Untersuchungen zur strahlentherapeutischen Wirkung von Girentuximab laufen noch in einer Phase II und könnten unabhängig vom aktuellen Deal noch einmal zu ganz neuen Verhandlungen führen und für Heidelberg Pharma finanziell ein anderes Niveau darstellen – und die Wilex-Kuh, die da gemolken wird sogar noch deutlich vergrößern.

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